Eine Praxis zu gründen ist ein Riesending, zumal eine Kassenpraxis. Die ja meistens eine noch viel größere finanzielle Investition bedeutet als eine Privatpraxis. Wenn Sie so ähnlich ticken wie ich, dann freuen Sie sich total, dass Sie diesen Schritt gewagt haben (oder demnächst wagen) - und befürchten gleichzeitig, dass es vielleicht ein großer Fehler war. 

Weil so viel Geld im Spiel ist. Im Zweifel welches, das Sie sich leihen mussten und nicht welches, das vom Himmel fällt. Und wenn dann in den ersten Monaten das Konto immer tiefer in den roten Zahlen versinkt (und das wird vermutlich passieren), dann ist es nicht so leicht, ruhig und gelassen zu bleiben.


Mentale Ebene der Praxisgründung

Ich bin sicher, dass alles gut gehen wird, weil trotz der großen Summen, die vielleicht/wahrscheinlich im Spiel sind, Psychotherapie derzeit in großem Umfang benötigt wird. Und es viel zu wenig Behandlungsmöglichkeiten für den riesigen Bedarf gibt. Jede neue Praxis ist in diesen Zeiten ziemlich schnell ausgebucht. Das wissen Sie natürlich. Und trotzdem. Das viele Geld. Einladung zum Kopfkino. Ich jedenfalls bin prädestiniert für sowas.

Was auch heisst: Man muss überhaupt nicht cool und abgebrüht sein, um eine erfolgreiche Praxis zu gründen und zu führen. Allerdings braucht man schon ein paar Strategien, um diese anstrengende Anfangszeit gut zu bewältigen. Vor allem, weil Sie ja auch gleichzeitig Ihren Ruf als tolle Praxis aufbauen und richtig gute Therapien machen wollen.

Natürlich gibt es die praktischen und finanziellen Aspekte (zu finanziellen Strategien hier ein paar Gedanken). Aber die mentale Ebene ist letztlich der Schlüssel. Wie so oft. Was genau Ihr Weg ist, um mit großem Stress und Belastungen umzugehen, weiß ich natürlich nicht. Sie haben sicher einen. Und den gilt es jetzt zu aktivieren und zu praktizieren. Ganz egal, ob das für Sie z.B. Sport ist, ob Sie Coaching oder Therapie bzw. Selbsterfahrung in Anspruch nehmen, Tools für die Selbstarbeit zur Verfügung haben oder was immer: Nutzen Sie Ihr Wissen und Können jetzt (auch) für sich selbst! 

Was ich in solchen Phasen mache? Das kann etwas ganz anderes sein, als das, was Ihnen nützt. Ich erzähle es Ihnen trotzdem, als Beispiel.


Mein Umgang mit meinen Worst Cases

Ich kannte die Mechanismen. Ich wusste, dass ich zuerst (sehr!) viel investiere und mein Konto sich dann langfristig wieder erholen würde. Als ich es geplant und in die Wege geleitet habe, fand ich das nicht leicht, aber habe daran geglaubt, dass es klappen würde. Und habe mich ja auch freiwillig und in vollster Bewusstheit dafür entschieden. Das Ziel war, einen Ort für tolle Therapien zu schaffen. Und nicht, Geld zu scheffeln. 

Und dann: Das Konto wurde nicht nur rot, sondern dunkelrot. Panik.

Ganz  so schlimm hatte ich mir das nicht vorgestellt. Die Berechnungen schienen nicht zu stimmen. Irgend etwas musste ich vergessen haben. Ich hatte für diesen Traum (von der tollen Praxis) andere Menschen mit hineingezogen. Hatte mehr Verantwortlichkeiten, als ich mir vorgestellt hatte. Und der Kontostand sank. Einnahmen: Flaute. Arbeit: Extrem viel. Wie sollte das gehen?

Was mir geholfen hat, waren letztlich Gespräche. In meinem persönlichen Umfeld. Mit Menschen, die etwas kühler auf meine Zahlen schauen konnten und optimistisch waren, an mich geglaubt haben.

Mit meiner Steuerberaterin. Die ganz praktische Tipps hatte, die mich beruhigt hat.

Und dann habe ich mich auch einmal ein oder zwei Stunden lang hingesetzt und habe aufgeschrieben, wie es weitergehen würde, wenn alle meine Befürchtungen, die schlimmsten aller worst cases eintreten würden. Verrückt - aber es hat mir geholfen (ich habe es wirklich als merkwürdig empfunden, dass es geholfen hat, obwohl wir das Patient*innen ja auch empfehlen. Hallo?!).

Eine meiner liebsten Tools ist auch nach wie vor eine ordentliche ABC-Analyse. Die mache ich tatsächlich regelmäßig und ich finde das eine Art Superpower. Aber so hat sicher jede*r von uns etwas, was wirklich hilfreich ist und dabei hilft, klar und präsent zu bleiben (oder immerhin nach einer Weile wieder zu werden). 


Wie es weiterging

Es ist jetzt zwei oder drei Jahre später und alles hat sich etwas beruhigt. Die Schulden sind nicht abbezahlt, aber alles läuft in ruhigen, geordneten Bahnen und ich bin jetzt sicher (nicht nur rechnerisch, auch emotional), dass die Investitionen sich auszahlen werden. Vermutlich nicht im Sinne von "reich werden" (soviel ist bei uns Psychotherapeut*innen nicht drin...). Aber doch so, dass alles funktioniert.

Es ist völlig ok so. Ich kann ruhig sein und mich auf die Therapien und die Weiterentwicklung der Praxis konzentrieren. Ich nutze weiterhin, eigentlich täglich, Strategien, die ich auch meinen Patient*innen empfehle. Aber inzwischen glücklicherweise nicht mehr aus Gründen der Panik, sondern weil ich kraftvoll und fokussiert sein will.

Ohne zu wissen, wie Sie mit Stress umgehen oder was Ihr therapeutischer Hintergrund ist: Machen Sie das auch. Nutzen Sie das, was Sie empfehlen und anderen anbieten, für sich selbst. Nicht nur in der stressigen Anfangszeit. Denn wenn wir (als Psychologische Psychotherapeut*innen) keinen guten und gesunden Umgang mit den Herausforderungen finden, die uns so begegnen - wer dann?

Für den konkreten Umgang mit finanziellen Engpässen in der Anfangszeit finden Sie in diesem Post 6 wichtige Tipps.


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