So erstellen Sie ein Praxis-Testament
Die Frau eines jungen Kollegen – nennen wir sie Lisa – rief mich kürzlich an. Ihr Mann war ganz plötzlich verstorben. Morgens noch normaler Alltag und plötzlich ist alles anders. Totaler Schock. Als wir sprachen, war sie kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie schlief kaum, funktionierte irgendwie – für die Kinder, alles andere war jetzt komplett unwichtig. Und dann die Erkenntnis: Sie muss sich um seine Praxis kümmern, wenn sie und ihre Familie nicht wirtschaftlich untergehen wollte.
In ihrer Trauer an Geld zu denken, erschien grausam – aber es war auch klar, dass sie einen riesigen Schuldenberg erben würde, wenn es ihr nicht gelingen würde, die Praxis zeitnah zu verkaufen.
Aber wie? Sie war keine Psychotherapeutin und hatte sich nie um die Praxisorganisation gekümmert. Niemand war da, um ihr zu erklären, welche Rolle die Kassenärztlichen Vereinigung spielt. Welche Fristen zu beachten sind. Was mit laufenden Verträgen ist. Wie man weiß, welche Patient*innen informiert werden müssen (und wie).
Lisa hatte keinen Plan. Praxiskolleg*innen ihres verstorbenen Mannes, die vielleicht hätten helfen können, waren untergetaucht. Vielleicht auch zu sehr betroffen und möglicherweise genauso ahnungslos.
Ich habe Lisas Anruf zum Anlass genommen, mein eigenes Praxis-Testament wieder mal zu überarbeiten, das mache ich eigentlich regelmäßig (aber wie das so ist, hatte ich es tatsächlich seit zwei oder drei Jahren nicht mehr gemacht). Und ich habe meine Angehörigen darüber informiert, dass es dieses Dokument gibt – und wo sie es im Notfall finden. Und natürlich habe ich das alles mit Lisa geteilt.
Die Vorlage, die ich selbst nutze, ist übrigens auch Teil eines Bonus-Moduls im StarterKit – meinem Onlinekurs für Psychologische Psychotherapeut*innen, die ihre eigene Praxis gründen (oder gerade gegründet haben). Dort stelle ich sie – zusammen mit anderen praxiserprobten Unterlagen – im „Praxis-Köfferchen“ zur Verfügung.
Was wäre bei Ihnen?
Wer würde sich kümmern, wenn Sie plötzlich ausfallen? Wer wüsste überhaupt, was zu tun ist?
In diesem Beitrag habe ich zusammen gestellt, wie Sie mit wenig Aufwand ein Praxis-Testament erstellen – als konkrete Vorsorge für Ihre Praxis, Ihre Patient*innen und vor allem die Menschen, die Ihnen nahe stehen.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist ein Praxis-Testament – und warum brauchen Sie eines?
- Was gehört in ein gutes Praxis-Testament?
- Rechtliche Grundlagen – was sagt die Berufsordnung?
- In 60 Minuten zur Vorsorge – So geht’s Schritt für Schritt
- Warum das Praxis-Testament auch für Sie selbst wichtig ist
- Zusammenfassung & Impuls zur Umsetzung
- Das Praxisköfferchen im StarterKit
1. Was ist ein Praxis-Testament – und warum brauchen Sie eines?
Ein Praxis-Testament ist kein juristisches Testament. Und auch keine Patientenverfügung. Es ist ein einfach ein Dokument, das regelt, was mit Ihrer Praxis passiert, wenn Sie plötzlich nicht mehr selbst handeln können – sei es durch Unfall, Krankheit oder Tod.
Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen und eine schwierige Situation ein bisschen leichter zu machen: Für Ihre Patient*innen. Für Ihre Angehörigen. Und auch für sich selbst. Denn zu wissen, dass jemand im Notfall den Überblick hat, kann sehr beruhigend sein.
Ohne Praxis-Testament:
- wissen Angehörige nicht, was zu tun ist,
- laufen Fristen der Kassenärztlichen Vereinigung (z.B. zur Nachbesetzung des Sitzes) vielleicht ab,
- laufen Versicherungen, Abschlagszahlungen (die vielleicht zurückgezahlt werden müssen) vielleicht weiter,
- wissen Patient*innen nicht, was los ist und wohin sie sich wenden sollen,
- werden noch offen stehende Rechnungen vielleicht nicht gestellt,
- entstehen schnell finanzielle Probleme – weil niemand Zugriff auf Konten, Verträge oder Praxissoftware hat.
Ein Praxis-Testament ist dafür da, solche Situationen möglichst zu verhindern. Denn schon wenn man in Ruhe über all das nachdenkt, braucht es oft eine Weile, bis man alles im Blick hat. Kaum möglich, wenn man in Stress oder Trauer ist.
2. Was gehört in ein gutes Praxis-Testament?
Ein gutes Praxis-Testament muss nicht lang sein. Aber es sollte klar, vollständig und im Notfall schnell auffindbar sein – idealerweise in Papierform und zudem digital gespeichert. Wichtig ist: Es hilft nur, wenn die richtigen Menschen wissen, dass es existiert und wo es zu finden ist.
Das sollte auf jeden Fall drinstehen:
- Wer darf handeln?
Benennen Sie eine Person Ihres Vertrauens, die im Notfall für Sie handeln darf – mit schriftlicher Vollmacht. - Was passiert mit dem Kassensitz?
Wer nimmt Kontakt mit der Kassenärztlichen Vereinigung auf? Welche Fristen gelten? Was muss organisiert werden? Gibt es einen Wunsch für eine*n Nachfolger*in (nicht jede KV berücksichtigt das, aber vielleicht ja schon). Hilfreich sind auch konkrete Ansprechpersonen mit Telefonnummer oder Mail-Adresse. Denn in solchen Situationen ist man froh, wenn man nicht lange wühlen (und nicht lange nachdenken) muss. - Patient*innen informieren
Wer übernimmt die Kommunikation – und wie? Ein vorbereiteter Text kann hier helfen. Und ein Hinweis, wie/wo man die Daten der aktuellen Patient*innen findet (Kalender, Praxis-Software). Achtung: Schweigepflicht beachten (gilt auch über den Tod hinaus). Vielleicht macht es Sinn, ein kleines Skript zu überlegen (was genau soll die Vertrauensperson den Patient*innen wie sagen?). - Wichtige Zugangsdaten
Wo sind Passwörter, Praxissoftware, Cloud-Zugänge, Mails, Zwei-Faktor-Authentifizierungen? - Versicherungen & Fristen
Zum Beispiel haben Lebensversicherungen meist extrem kurzen Meldefristen (oft nur 48 Stunden). Auch hier helfen Namen und direkte Kontakte weiter. - Konten & Finanzen
Gibt es Geschäftskonten, auf die Angehörige keinen Zugriff haben? Was muss dort beachtet werden?
Eine kurze Notiz, bei welcher Bank das Konto läuft und wer dort ansprechbar ist, kann den Unterschied machen. - Weitere Ansprechpersonen
Steuerberater*in, IT-Betreuer*in, Vermieter*in, Kolleg*innen, die informiert werden sollten.
Einfach Name, Mail-Adresse, Telefonnummer – das reicht oft schon und ist in Notsituationen nicht so leicht zu finden.
Hilfreich ist außerdem eine aktuelle Übersicht über laufende Verträge und Abo-Dienste, die im Notfall gekündigt oder überführt werden müssen – von Terminsoftware bis Domain-Anbieter.
3. Rechtliche Grundlagen – was sagt die Berufsordnung?
Auch wenn der Begriff „Praxis-Testament“ juristisch nicht definiert ist und es keine einheitliche Regelung dafür gibt, liegt es in unserer Verantwortung als Psychologische Psychotherapeut*innen, dafür zu sorgen, dass unsere Praxis im Notfall geordnet weitergeführt oder beendet werden kann.
Laut § 9 der Musterberufsordnung sind Psychologische Psychotherapeut*innen verpflichtet, für den Fall von Krankheit, Unfall oder Tod rechtzeitig vorzusorgen. Es geht also tatsächlich nicht nur darum, es unseren Lieben im Fall der Fälle leichter zu machen:
„Psychotherapeut*innen haben für eine Vertretung für den Fall ihrer Verhinderung oder zur Beendigung ihrer psychotherapeutischen Tätigkeit Vorsorge zu treffen.“
Das bedeutet ganz konkret:
- Sie müssen regeln, wer Ihre Praxis vorübergehend vertreten oder abwickeln darf.
- Diese Person muss über eine entsprechende Vollmacht verfügen.
- Diese Regelung sollte dokumentiert und im Idealfall mit der Kammer und der Kassenärztlichen Vereinigung abgestimmt sein.
Besonders relevant wird das bei Kolleg*innen mit Kassenzulassung:
- Stirbt ein*e Vertragspsychotherapeut*in, muss der Kassensitz innerhalb von sechs Monaten nachbesetzt werden – sonst verfällt er.
- In dieser Zeit können Bevollmächtigte die Praxis übergangsweise weiterführen – aber nur, wenn das vorab geregelt wurde.
Auch bei einer schweren Erkrankung oder einem Unfall gilt:
Ohne klare Vollmacht darf niemand auf Ihre Praxissoftware zugreifen, Patient*innenakten verwalten oder Behandlungsverträge formal beenden. Selbst engste Angehörige sind in diesen Fällen rechtlich außen vor – wenn nichts geregelt wurde.
Ein Praxis-Testament erfüllt damit nicht nur eine Fürsorgepflicht – sondern auch eine berufsrechtliche.
4. In 60 Minuten zur Vorsorge – So geht’s Schritt für Schritt
Ein Praxis-Testament muss kein juristisches Großprojekt sein. Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen – sondern darum, dass im Notfall jemand schnell und möglichst ohne Hürden handeln kann. Und das lässt sich oft in weniger als einer Stunde gut vorbereiten. Denken Sie dabei auch daran, dass Ihr*e "Praxis-Verwalter*in" vermutlich viel Zeit investieren muss und ob Sie das vergüten möchten - und wenn ja, wie.
1. Entscheiden Sie, wer im Notfall für Sie handeln darf.
Diese Person sollte Ihr Vertrauen haben und bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehört auch eine schriftliche Vollmacht, am besten von beiden unterzeichnet. Für viele organisatorische Aufgaben reicht sie aus. Für sensible Bereiche kann eine notarielle Version sinnvoll sein.
2. Legen Sie fest, was mit dem Kassensitz passieren soll.
Kontakt zur KV, Nachbesetzung, Fristen – je konkreter, desto besser.
3. Sammeln Sie alle wichtigen Informationen an einem Ort.
Zugangsdaten, Verträge, Versicherungen, Kontakte.
4. Schreiben Sie einen kurzen Text für Ihre Patient*innen.
So bleibt der Umgang mit ihnen auch im Notfall in Ihrer Sprache und Haltung. Der Text könnte als Brief an Ihre Patient*innen geschickt werden. Und/oder schreiben Sie auf, wie ein persönlicher Kontakt ablaufen soll (kurze telefonische Nachricht, dass der Termin ausfällt mit Bitte um Rückruf/Angebot eines Termins in der Praxis, die Nachricht nicht auf AB hinterlassen, z.B.).
5. Halten Sie wichtige Ansprechpersonen fest.
Steuerberater*in, IT-Betreuer*in, Vermieter*in, Kolleg*innen – mit Kontaktdaten.
6. Speichern und hinterlegen Sie das Dokument.
Informieren Sie Ihre Vertrauensperson, wo es zu finden ist.
Tipp: Blocken Sie sich einen festen Termin im Kalender – zum Beispiel nächste Woche, für 60 Minuten. Das reicht oft schon, um den ersten Entwurf zu erstellen. Und planen Sie einmal im Jahr einen kurzen Check: Hat sich etwas geändert?
Ein Praxis-Testament zu erstellen, fühlt sich vielleicht im ersten Moment schwer an. Aber sobald es da ist, wirkt es fast immer entlastend – auch für Sie selbst. Es macht das Unkontrollierbare ein kleines Stück planbarer.
5. Warum das Praxis-Testament auch für Sie selbst wichtig ist
Ein Praxis-Testament schützt andere – aber es wirkt auch für Sie selbst. Drei Gründe dafür:
- Weniger mentale Last
- Haltung von Selbstfürsorge leben
- Die Praxis ernst nehmen
6. Zusammenfassung & Impuls zur Umsetzung
Ein Praxis-Testament ist kein großes Projekt – aber es hat große Wirkung.
Es schützt Ihre Patient*innen, Ihre Angehörigen, Ihre Kolleg*innen – und auch Sie selbst.
Es schafft Klarheit in einer Situation, die sowieso schon von Unsicherheit, Druck und Überforderung geprägt ist.
Und es hilft, Ihrer Praxis den Raum und die Fürsorge zu geben, die sie verdient – auch im Notfall.
Vielleicht nehmen Sie sich in den nächsten Tagen einfach eine Stunde Zeit.
Oder blocken sich direkt jetzt einen Termin im Kalender.
Denn wie Lisa mir sagte:
„Wenn es einfach nur eine Seite gegeben hätte, auf der alles gestanden hätte – das hätte so viel verändert.“
Das Praxisköfferchen im StarterKit
Natürlich können Sie sich auch einfach an diesem Blogpost orientieren. Aber wenn Sie es noch ein bisschen klarer und einfacher möchten:
Im Bonus-Modul „Praxis-Köfferchen“ meines eKurses StarterKit finden Sie meine eigene Vorlage für ein Praxis-Testament – so, wie ich sie auch selbst nutze. Sie können sie direkt übernehmen, anpassen und ausfüllen – ohne alles selbst strukturieren zu müssen.
Sie finden dort auch viele andere Vorlagen, die ich im Lauf der Jahre gesammelt und zusammengestellt habe – und die ich Ihnen als Bonus zur Verfügung stelle.