Das leidige Thema: Work-Life-Balance. Wir müssten es ja wissen, oder? Jedenfalls erarbeiten wir die entsprechenden Strategien in gefühlt jeder zweiten Therapie. Aber selbst anwenden? Gerade in Stresszeiten wie im Praxisaufbau. Hm... Vielleicht geht es nur mir so und Sie wenden bei Bedarf alles bei sich selbst an, was Sie so in Ihrer Therapie-Toolbox haben... Nur für den Fall, dass es Ihnen ähnlich geht wie mir, hier ein kleiner reminder (oder eine Ergänzung, falls Sie über ganz andere Tools verfügen sollten).
1. Zeitmanagement
Auch wenn es anfangs ein ungutes Gefühl machen sollte - legen Sie Ihre Arbeits- bzw. Praxiszeiten vorab fest. Natürlich können Sie damit experimentieren und alles jederzeit wieder ändern. Aber nicht, weil es der Wunsch eine*r Patient*in ist. Außer Sie wollen für die nächsten Monate oder sogar Jahre zu diesem Termin arbeiten.
Es gibt ja viele verschiedene Möglichkeiten, wie so ein Therapietag strukturiert werden kann. Sind Sie z.B. der Typ, der gerne einige Sitzungen en bloc durchführt, womöglich sogar ohne die typischen 10 Minuten dazwischen - und dafür alle 2 oder 3 Sitzungen eine größere Pause? Oder haben Sie gerne ein paar Minuten zwischen allen Sitzungen, um z.B. kurz durchzuatmen oder mal einen Kaffee zu trinken? Wie sieht es mit Pufferzeiten aus, also ein wenig mehr Pause nach z.B. zwei oder drei Therapiesitzungen?
SIE sind der Chef/die Chefin - und sollten Ihre Arbeitszeiten so gestalten, wie Sie es möchten (sonst könnten Sie auch angestellt arbeiten). Meine eigene Erfahrung ist, dass das umso besser klappt, umso klarer ich bin (und auch, dass die Patient*innen oft überraschend flexibel sind, wenn es keine Alternative zu einem angebotenen Termin gibt).
Außerdem sollten Sie dringend dafür sorgen, dass Sie die Sitzungen nicht überziehen. Bei 25 Sitzungen in der Woche würden Sie z.B. mehr als 4 Überstunden (in der Woche!) machen, wenn Sie jedesmal 60 statt 50 Minuten arbeiten.
Und: Blocken Sie feste Zeiten für Familie, Freunde und Hobbys in Ihrem Kalender. Klingt so simpel. Aber mich hat schon manche Yogastunde oder Verabredung mit einer Freundin vom Schreibtisch weggerissen - und ich habe es nie bereut .
2. Planen Sie angstfrei
Ein verwandtes Thema. Es ist nämlich SO leicht, in der Anfangsphase des Praxisaufbaus rund um die Uhr zu arbeiten. Das ging auch mir so, bei meiner letzten Praxiseröffnung, 2019. Damit meine ich jetzt nicht den Punkt von gerade eben, sondern einen etwas anderen Aspekt:
Wie viele Therapien planen wir für die Woche ein? Bei welcher Sitzungsanzahl haben wir das Gefühl, finanziell auf der sicheren Seite zu sein? Überfüllen wir unseren Kalender aus der Angst heraus, dass das Geld zum Schluss nicht reicht (zu diesem Thema kann ich diesen Mini-eKurs empfehlen)? Und nehmen NOCH eine Therapie an, weil das Konto so leer ist und es so schwer abzuschätzen ist, was die KV in über einem halben Jahr zahlt? Wem sage ich das - zu viel führt auf Dauer zu Erschöpfung, selbst wenn man zu viel von etwas Wunderbarem macht (Ihrem tollen Job).
Und die Therapien werden auch nicht besser, wenn man k.o. ist. Also - tun Sie das, was Sie Ihren Patient*innen sagen würden und planen Sie vernünftig und mit Puffern (irgendwas Unvorhergesehenes passiert immer mal, für das man sie braucht. Und wenn nicht: Durchatmen, genießen!) - und halten Sie sich daran.
3. Klassische Selbstfürsorge nicht vergessen
Auch wenn es banal klingt, es ist erneut eine Variation der vorherigen Punkte ist. Wieder eines dieser Themen zum Augenrollen .
Aber regelmäßige Pausen, Sport und Entspannungsmethoden sind nicht zu unterschätzen. Wirklich.
Ein paar tiefe und bewusste Atemzüge nach jeder Sitzung, die Stunde(n) Sport in der Woche, der Spaziergang am Abend: Ja, banal.
Trotzdem: Bitte nicht vergessen !
4. Therapie-Konzepte für den Therapeut*innen-Alltag
Anpassungsfähigkeit und Flexibilität (ich denke da z.B. an ACT-Strategien). Total wichtig, oder? Genauso wie Achtsamkeit, je nachdem vielleicht ein paar Emotions-Kontrollstrategien und Selbst-Analyse-Fähigkeiten (da ich aus der KVT komme, denke ich da eher an ABC als an was analytisches, wobei das bestimmt auch oft hilfreich wäre).
Warum sollten wir nicht das anwenden, was wir kennen und können? Denn unser Beruf ist zwar wunderbar (habe ich das schonmal gesagt? Stimmt auch!), aber auch ganz schön anstrengend und manchmal auslaugend. Und wenn dann noch die Anforderungen eines eigenen kleinen Unternehmens (Ihre Praxis!) dazukommen, kann es schnell wirklich stressig werden. Stichwort Buchhaltung und Steuer. Und Fristen und Anträge. Puh .
Gut, dass wir Profis sind und wissen, wie wir psychisch gesund, anpassungsfähig und flexibel bleiben . Denn wer, wenn nicht wir sollte einen anspruchsvollen Job und gleichzeitig ein gutes Leben haben können?
Im Ernst: Es kann wirklich nützlich sein, in stressigen Zeiten unser eigenes Wissen und Können zu nutzen (oder auch Supervision oder Selbsterfahrung dafür in Anspruch zu nehmen).
Ich persönlich bin ja wie gesagt durch eine intensive KVT-Schulung gegangen (und hatte das irre Glück, bei Ellis himself ein Praktikum machen zu können!). Und bis heute nutze ich (nicht lachen! Ich bin wirklich totaler Fan) ABC-Schemata, um mich zu sortieren und zu beruhigen. Mir hilft das total, und ich bin sicher, auch in Ihrem Repertoire gibt es das eine oder andere Tool, das nützlich zur Selbstregulation sein kann…