Was tun, wenn es eng wird?
Es wird ca. 6-12 Monate dauern, bis Sie mit Ihrer eigenen Praxis so viel einnehmen, wie es Ihrer Praxisgröße entspricht. Denn vermutlich werden die Therapien erst peu à peu beginnen. Außerdem zahlen die KVen mit großem Verzug, während die Ausgaben leider regelmäßig abgebucht werden.
Konkret reichen Sie Ihre erste Abrechnung bei der KV ja erst am Ende des ersten Praxis-Quartals ein. Sie haben bis dahin schon drei Monate ohne Honorar gearbeitet.
Nach Einreichung dauert es z.B. in Baden-Württemberg noch 2 Quartale + 2 Wochen, bis das Geld ausgezahlt wird. Wenn Sie im Januar angefangen haben, reichen Sie Ihre erste Quartalsabrechnung also Anfang April ein. Ihr Honorar für die Arbeit, die Sie zwischen Januar und März geleistet haben, bekommen Sie dann um den 15. Oktober herum. Und dieses Honorar wird nicht riesig sein, weil Sie am Anfang vermutlich noch nicht voll ausgebucht waren.
Und das in einer Zeit, in der Sie wahrscheinlich einen Kredit für die Übernahme und die Einrichtung der Praxis aufgenommen haben und schon abbezahlen müssen. Von anderen laufenden Kosten ganz zu schweigen.
6 praktische Tipps, um gut durch diese Zeit zu kommen
1. Beantragen Sie bei Ihrer KV von Anfang an Vorschusszahlungen. Die werden dann später mit der Quartalsabrechnung verrechnet.
So bekommen Sie eine monatliche Zahlung, die meist ca. 70% dessen beträgt, was man monatlich zu erwarten hat (am Anfang natürlich nur grob geschätzt. Die KV berät Sie hier).
Zum regulären Auszahlungstermin - z.B. am 15. Oktober - erhalten Sie dann nur noch eine Restzahlung: Ich mache das bis heute so, weil meine Ausgaben ja monatlich anfallen und nicht quartalsweise.
2. Wenn Sie ein großes Sicherheitsbedürfnis bzw. keinen großen finanziellen Puffer haben, macht es die ersten sechs Monate Sinn, eine zusätzliche Einnahmequelle zu haben, bis die Praxis voll ist und die Zahlungen der KV angelaufen sind.
Ich habe z.B. noch eine ganze Weile nach meiner ersten Praxisgründung Entspannungskurse für Volkshochschulen und Krankenkassen gegeben. Nicht sehr gut bezahlt, zugegeben. Aber ein gewisser Zufluss an Geld und ich fand das beruhigend.
3. Auch einige Privatpatient*innen oder Selbstzahler*innen aufzunehmen, ist gut.
Nicht unbedingt, weil sie besonders hohe Honorare zahlen (tun sie nicht). Sondern weil man deren Rechnung nach Absprache stellen kann, also z.B. am Monatsende (allerdings bei beiden mit einem erhöhten Risiko von Zahlungsausfällen und dem Ärger mit Mahnungen etc).
4. Wenn Sie in Baden-Württemberg mit Selektivkassen arbeiten (z.B. manchen BKKs und dem AOK-Facharztvertrag), ist das Problem etwas entschärft: Denn hier wird bereits kurz nach Quartalsende das Honorar gezahlt. Aber auch hier sind monatliche Abschläge auf Anfrage möglich.
Auch in Niedersachsen und vielleicht auch noch in weiteren Bundesländern gibt es Selektiv-Modelle, recherchieren Sie gerne mal, wenn Sie das betrifft (Selektiv-Modell bedeutet grob, dass eine -meist- gesetzliche Kasse außerhalb des "Kollektiv-Modells", also der KVen abrechnet).
Es gibt auch bundesweit Selektivverträge. Dabei handelt es sich um Zusammenschlüsse bestimmter Kassen, die mit Psychotherapeut*innen zusammenarbeiten, um ihren Mitgliedern zeitnahe Psychotherapie ermöglichen zu können. Ich habe mich damit nie beschäftigt, weil ich keine Kapazitäten hatte.
Aber es könnte sich lohnen, hier zu recherchieren (nicht unbedingt (nur), um mehr Patient*innen zu bekommen, sondern um welche zu bekommen, für deren Behandlung Sie zeitnah Ihr Honorar erhalten).
5. Je nachdem, welche Qualifikationen Sie haben, könnten Sie auch z.B. den Berufsgenossenschaften oder Unfallkassen mitteilen, dass Sie Kapazitäten haben bzw. auf deren Behandlerlisten aufnehmen lassen. Wahrscheinlich werden Sie bald Anfragen bekommen, weil auch hier der Bedarf hoch ist. Auch hier werden die Rechnungen dann bezahlt, wenn Sie sie stellen (natürlich schon mit den üblichen Fristen, aber nicht an Quartale gebunden).
6. Hier noch ein Tipp auf einer ganz anderen Ebene: Sie können zu relativ guten Konditionen einen Überbrückungskredit bekommen, eventuell sogar von der KfW-Bank (z.B. möglich zur Gründung, hängt natürlich von individuellen Bedingungen ab, lohnt sich aber zu recherchieren da meist besonders günstig). Von Ihrer Hausbank (über die meist auch der KfW-Kredit läuft) oder auch von einer anderen Bank (der Vergleich lohnt sich oft). Vielleicht nicht ideal, aber sicher besser, als tief in den Dispo zu gehen oder als Albträume zu haben.
Meine Einladung: Nehmen Sie sich einen Moment, brainstormen Sie auch zu den Dingen, die Sie ganz praktisch tun können, um gerade im ersten halben oder dreiviertel Jahr ausreichend Einnahmen zu haben.
Vielleicht ist auch meine Checkliste für die Praxisgründung für Sie interessant? Hier geht es zwar nicht nur um die Finanzen, sondern um die verschiedensten Dinge, an die man denken muss - aber natürlich kann es teuer werden, wenn man wichtiges vergisst (oder zumindest unangenehm). Und: Es kosten 0 Cent :-). Einfach hier klicken.