(und anderthalb dagegen)


Manchmal frage ich mich, warum ich eigentlich in eigener Praxis arbeite. Als leidenschaftliche Psychotherapeutin, die ich immer war und immer sein werde, könnte ich auch angestellt arbeiten und sehr zufrieden sein. Dann wäre dieser lästige Papierkram weniger.

Diese Stunden über Stunden am Schreibtisch im Kampf gegen Windmühlen (so fühlt es sich jedenfalls manchmal an). Andererseits liebe ich die Möglichkeiten, die ich durch eine eigene Praxis habe. Für mich gibt es deshalb gar keine Frage, ich persönlich bin "Team pro".

Aber ich bin da auch - wenn man so will - reingeworfen worden, wer weiß, wie meine Entscheidung heute ausfallen würde.

Als ich mich 1995 für meine erste Psychotherapie-Praxis entschied, gab es nämlich keine echten Alternativen. Ein paar Klinik-Jobs, die kaum Psychotherapie-Angebote hatten und die Möglichkeit, völlig blauäugig eine Praxis zu eröffnen. Das war's. Schwarz oder weiß.

Heute ist das glücklicherweise anders. Es gibt jede Menge attraktiver Klinikstellen oder auch tolle Stellen in Ambulanzen oder Praxen (zum Beispiel in meinen :-)). 

Deshalb habe ich hier ein paar Gründe pro und einen contra "eigene Praxis" zusammen gestellt.

1. Die Freiheit, in der eigenen Psychotherapie-Praxis eigene Schwerpunkte zu entwickeln

Das ist tatsächlich der Punkt, der mir selbst am Wichtigsten ist. Eine eigene Praxis bietet mir einfach die Freiheit, komplett eigene therapeutische Konzepte zu verwirklichen und unabhängig von irgendwelchen Klinik-Vorgaben zu arbeiten (natürlich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften).

Ich liebe es z.B., mit komplexen Störungsbildern zu arbeiten, die andere vielleicht schon aufgegeben haben. Und fuchse mich gerne in die Möglichkeiten ein, die wir schaffen können.

Aber ich mag es auch, mich immer einmal wieder mit ganz neuen klinischen Themen zu beschäftigen, derzeit z.B., welche ambulanten Möglichkeiten es im Rahmen meiner Praxen für akut traumatisierte Menschen geben könnte und wie ich sie damit unterstützen kann.

Selbstverständlich könnte die Freiheit aber genauso gut z.B. darin liegen, den Patient*innen, die im eigenen Einzugsgebiet sind und sich in der Praxis vorstellen, eine gute Behandlung anzubieten und sich nicht den Druck machen zu müssen, sich ständig fortzubilden.

2. Arbeitszeiten können in der eigenen Praxis frei gestaltet werden

Mit einer eigenen Praxis ist man ja - in jedem Sinn - der*die eigene*r Chef*in und gestaltet den Berufsalltag nach ihren/seinen eigenen Vorstellungen. 

Klingt etwas banal, ist aber ein wichtiges Argument "pro", finde ich. Zum Beispiel liebe ich persönlich es, erst etwas später am Morgen mit den Behandlungen zu beginnen, dafür macht es mir gar nichts aus, auch spät am Abend noch Therapien anzubieten oder am Schreibtisch zu sitzen.

Ich kann aus irgendwelchen Gründen auch nicht wenig arbeiten. Das heißt, meine Arbeitstage sind meist intensiv und lang. Dafür mache ich sehr viel Urlaub und viele Fortbildungen. Die Selbstständigkeit mit meiner eigenen Psychotherapie-Praxis erlaubt mir das und so kann ich trotz meiner intensiven Arbeitstage meistens eine gute und gesunde Work-Life-Balance haben.

3. Die Möglichkeit, sich die eigene Praxis nach eigenem Geschmack zu gestalten

Dieser Punkt ist jetzt vielleicht für viele nicht ganz so wichtig. Ich selbst lege aber richtig großen Wert darauf, mich in meiner Umgebung auch ästhetisch wohl zu fühlen. Das meine ich gar nicht elitär und es muss auch nicht eine teure Einrichtung sein.

Aber ich fühle mich tatsächlich spürbar physisch und psychisch viel, viel besser, wenn meine Räume - für meinen Geschmack - schön und positiv gestaltet sind. Eine eigene Praxis ist dafür natürlich bestens geeignet.

Schon das Aussuchen der Praxisräume ist da ein wichtiger Aspekt, die Einrichtung selbst und dann auch sowas wie frische Blumen oder schöne Pflanzen. Sowas ist sicherlich nicht jede*m wichtig - aber wenn, macht es echt was aus.

4. Die eigene Praxis ist unabhängig von institutionellen Veränderungen

Ich habe es mehr als einmal gehört: Jemand fühlt sich total wohl in z.B. der Klinik und dann gibt es ein neues Konzept, eine neue Vorgesetzte, die Station wird ziemlich überraschend mit einer anderen fusioniert etc. pp.

Natürlich kann es auch in der eigenen Praxis passieren, dass sich etwas ändert, z.B. dass die Räume gekündigt werden. Aber das passiert doch ziemlich selten und man hat meistens große Entscheidungsspielräume, auch wenn das zunächst einmal kontraintuitiv klingen mag.

Und damit hat man tatsächlich auch eine höhere Stabilität als bei manchen angestellten Stellen.

5. Die eigene Praxis kann höhere Einkommen erzielen

Eine eigene Praxis in der Psychotherapie zu gründen, bedeutet auch, die Kontrolle über die eigenen finanziellen Angelegenheiten zu übernehmen. Natürlich muss man entsprechend viel arbeiten, damit z.B. auch ein Urlaub finanziert werden kann.

Aber auch sowas wie Supervision und Fortbildung gehört in die Kalkulation. Auch die Abzahlung eines Kredits (wenn es einen gibt, z.B. für die Praxisgründung) muss natürlich einberechnet werden. Aber wenn man es richtig anstellt und sich ein wenig mit solchen Themen beschäftigt, kann man wahrscheinlich ein höheres Einkommen erzielen als in einer Anstellung. 

Wenn Sie an diesem Punkt unsicher sind, ist mein Mini-eKurs "Arbeitszeit-/Gewinnanalyse: Wieviel muss ich arbeiten, um gut zu verdienen" (hier zu den Infos) vielleicht eine gute Idee?

Und warum man vielleicht doch lieber KEINE eigene Praxis eröffnen sollte

Trotz der vielen Vorteile der Selbstständigkeit kann eine Anstellung ebenfalls sehr attraktiv sein - und im besten Fall sogar einige der Vorteile einer eigenen Praxis abdecken.

Ein riesiger Vorteil einer guten Anstellung ist tatsächlich, dass man die meiste Zeit mit klinischer Arbeit beschäftigt ist (oder zumindest mit Arbeit, die zum klinischen Bereich gehört. z.B. Telefonate führen oder Gutachten schreiben).

Wem der Gedanke an noch mehr Arbeit am Schreibtisch zuwider ist, sollte die Entscheidung, eine eigene Praxis zu gründen, tatsächlich noch einmal überdenken.

Außerdem - aber das ist ein Argument, das genauso gut "pro Praxisgründung" zählen könnte, also maximal ein halbes Argument "contra":

Wenn man ein ängstlicher Typ ist.

  • Dann könnte das ein Argument dafür sein, sich den ganzen Stress mit den Unsicherheiten zu sparen, die eine eigene Praxis auf jeden Fall mit sich bringt. Oder...
  • Es könnte aber auch gerade ein Argument dafür sein, es zu tun. Im Sinne von Weiterentwicklung. Von: Sich seinen inneren Begrenzungen zu stellen, sie nicht zu akzeptieren (vor allem, wenn andere Aspekte einer eigenen Praxis einem sehr gut gefallen)

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